
Wie du erkennst, dass du in der Stressfalle steckst
Immer wieder erzählen mir Klienten, dass sie abends erschöpft ins Bett fallen, aber nicht ein- oder durchschlafen können. Das Gedankenkarussell dreht und dreht. Da werden To-Do-Listen für den nächsten Tag aufgesetzt, Mails formuliert, Gespräche vorbereitet, Konfliktsituationen nachstudiert und der Zeiger des Weckers rückt unaufhörlich weiter... Irgendwann übermannt sie der Schlaf dann doch noch, aber am Morgen erwachen sie erschlagen auf und brauchen erst einen Kaffee, um überhaupt wach zu werden und denken: So kann das nicht weitergehen!
Kennst du das? Ganz ehrlich: Ich auch! Es gab Phasen, da lief zwar alles rund - eine volle Agenda mit Kliententerminen, spannende Projekte, interessante Weiterbildungen, ein engagiertes und facettenreiches Familienleben. Der Tag war durchorganisiert und dank Disziplin und Durchhaltevermögen brachte ich lange Zeit auch alles unter einen Hut... aber ich fühlte mich zunehmend müde und ausgepowert. Freude an dem, was ich tat, was mir gelang und wofür mein Herz schlug, spürte ich nur noch in seltenen, stillen Momenten.
Was mir in solchen Situationen geholfen hat, war der Moment, als ich ehrlich zu mir war und mir eingestand, dass gerade alles zu viel ist und ich überfordert war. Akzeptanz ist in der Achtsamkeit und Resilienz ein zentraler Punkt und ich staune immer wieder, was dieses Eingesehen, wie etwas gerade ist, - das übrigens nicht dasselbe ist wie aufgeben - alles bewirken und verändern kann.
Woran erkennst du, dass dein System Alarm schlägt

Manchmal sind es kleine Dinge, die uns verraten, dass wir längst über unsere Belastungsgrenze hinausgehen. Die Warnsignale sind sehr individuell und bei jedem Menschen verschieden.
Hier ein paar typische erste Alarmzeichen - vielleicht erkennst du dich in dem einen oder anderen Punkt wieder:
Mentale Warnsignale
- Unkonzentriert - Deine Gedanken schweifen ständig ab oder springen hin und her.
- Vergesslich - Du vergisst Termine oder verlegst Sachen.
- Grübeln ohne Ende - Entscheidungen dauern ewig. Dir fehlt der Überblick und deine Gedanken drehen sich im Kreis.
- Innere Leere - Alles läuft, aber nichts fühlt sich bedeutsam an oder ergeben für dich einen tieferen Sinn.
Emotionale Warnsignale
- Reizbar oder dünnhäutig - Kleinigkeiten bringen dich schnell aus dem Gleichgewicht. Du reagierst empfindlich oder gereizt und gehst sofort an die Decke.
- Niedergeschlagen - Du bist traurig oder antriebslos ohne klaren Grund. Freude fehlt.
- Überfordert - Es fühlt sich alles zu viel an. Du zweifelst an deinen Fähigkeiten.
- Pflicht statt Bedürfnis - Du hast das Gefühl, nur noch zu "funktionieren". Das Wort "Müssen" ist ein ständiger Begleiter.
Körperliche Warnsignale
- Schlechter Schlaf - Ein- oder Durchschlafen fällt dir schwer. Dein Schlaf ist unruhig.
- Grosse Müdigkeit - Du fühlst dich ständig müde und erschöpft. Du schläfst zwar genug, aber fühlst dich danach nicht erholt und erfrischt.
- Verspannungen oder Schmerzen - vor allem im Nacken, Rücken oder Kopf.
- Magen oder Darm rebellieren - Dein Appetit hat sich verändert. Du hast kaum Appetit oder ständig Hunger. Du leidest unter Völlegefühl oder Magenkrämpfen.
- Herzklopfen oder Kurzatmigkeit - Dein Herz klopft spürbar. Dein Puls ist beschleunigt. Dein Atem ist flach.
Verhaltensbezogene und soziale Warnsignale
- Rückzug - Du ziehst dich von deiner Familie und Freunden zurück, meidest Aktivitäten oder Gespräche. Soziale Kontakte empfindest du als Belastung.
- Freudlosigkeit - Dinge, die dir früher gut taten, berühren dich kaum noch und selbst Lieblingsaktivitäten machen keinen Spass mehr.
- Rastlosigkeit - Du bist immer in Bewegung. Du kommst nur schwer zur Ruhe. Es gibt kaum Pausen.
- Abgeschnitten von dir - Du hast kaum Zeit für dich. Du hast das Gefühl, nicht wirklich bei dir zu sein oder neben dir zu stehen.
Einiges von diesen Symptomen habe auch ich bei mir entdeckt - und zuerst gedacht: Das geht wieder vorbei, wenn's ruhiger wird. Ich muss nur noch etwas durchhalten. Nur: Ruhiger wurde es nicht. Ich musste aktiv etwas verändern.
Zeit für eine ehrliche Innenschau

Wenn du magst, nimm dir kurz einen Moment und überlege:
- Wie geht es dir gerade - wirklich?
- Wann hast du das letzte Mal bewusst in dich hineingespürt oder durchgeatmet?
- Gibt es Momente in deinem Alltag, in denen du nur für dich bist oder etwas für dich machst, einfach weil es dir Freude bereitet?
- Was raubt dir Energie? Was schenkt dir Kraft?
- Was bräuchtest du gerade jetzt - und erlaubst es dir vielleicht (noch) nicht?
- Wie fühlt sich dein Körper gerade an? Leicht? Angespannt? Leer?
Diese kleinen Bestandsaufnahmen können schon viel bewirken und dir Hinweise auf Gefühle und Bedürfnisse geben, die gerade wichtig sind. Sie sind der erste Schritt raus aus dem Dauerstress - zurück zu dir.
Was du jetzt tun kannst

Vielleicht magst du dir eine einzige Sache vornehmen, die du in den nächsten Tagen anders machen oder ausprobieren möchtest. Etwas Kleines, das dir gut tut. Vielleicht...
- einen Spaziergang allein,
- ein Nein, wo sonst ein automatisches Ja gekommen wäre,
- ein bewusstes Durchatmen vor dem nächsten Meeting oder der nächsten Aufgabe,
- zehn Minuten ohne Handy - nur du und dein Atem.
Veränderung beginnt nicht mit einem grossen Plan. Veränderung beginnt in einem Moment, in dem du dir selbst zuhörst.
Vorschau auf Teil 2
Im nächsten Teil meiner "Joballtag entstressen"-Serie verrate ich dir, welche 5 Stressfallen im Job besonders tückisch sind und wie du ihnen Schritt für Schritt auf die Schlichte kommst.
Und vergiss nicht: Ein tiefer Atemzug geht immer!
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