
Warum Pausen bei Trauma & Trauer schwierig sein können
Und wie wir dennoch Wege zur Ruhe finden können
Pausen sind wichtig, gesund und Quellen der Erholung und Kraft. Das hören wir oft - und ich stimme dem aus vollem Herzen zu. In meinem Beruf als Atemtherapeutin und Arbeitspsychologin erlebe ich immer wieder, wie sehr kleine Auszeiten dabei helfen können, wieder bei sich selbst anzukommen. Im Interview zur Pausenformel habe ich mich dazu auch schon ausführlich mit meiner Atemkollegin Susanne Wagner unterhalten. Als ich deshalb von ihrer Blogparade zum Thema "Meine Pause" gehört habe, war ich sofort inspiriert mitzumachen. Gleichzeitig tauchte dabei der Gedanke auf:
"Was ist eigentlich mit den Momenten, in denen Pausen nicht gut tun?"
Das Paradox der Pause

In manchen Lebensphasen - etwa inmitten von Trauer, in der Erschöpfung oder nach belastenden Erfahrungen - können Pausen alles andere als erholsam und wohltuend sein. Wir schaffen es dann einfach nicht, in die Ruhe zu kommen, uns eine Auszeit zu nehmen und wenn doch, triggert die Entspannung vielmehr Unruhe, Rastlosigkeit, Angst oder sogar unwillkürliche Erinnerungsbilder (sogenannte Flashbacks). Was sonst eigentlich nach "Wellness" klingt, wird dann als belastend erlebt.
Aber warum ist das so?
Warum das Nervensystem Pausen meiden will
Es gibt verschiedene Gründe, warum es schwierig sein kann, Pausen zu machen und sich zu entspannen. Nicht selten führen beispielsweise Verlusterfahrungen, traumatische Erlebnisse oder Dauerstress zu einem überaktiven Nervensystem. Aktivität kann dann ein "Schutz" und eine Überlebensstrategie darstellen. Bleibt man aktiv, kann das helfen, den Schmerz, die Leere oder tiefe Emotionen für eine Weile auf Distanz zu halten. Denn Pausen sind auch ein Raum für Gefühle. Ist das Nervensystem aber überlastet oder erschöpft, wird es sich instinktiv davor schützen und Pausen meiden wollen.
Manchmal fehlt aber auch ein Gefühl von Sicherheit. So leben Menschen zB mit traumatischen Erfahrungen oft in einem Zustand chronischer Anspannung, erhöhter Wachsamkeit (Hypervigilanz) und haben ein irritierbares, wackeliges Sicherheitsempfinden. Entspannung widerspricht dann dem Überlebensmodus. Lässt die Anspannung nach, kann die Psyche mit unverarbeiteten Gefühlen in Kontakt kommen, was als ungewohnt oder sogar gefährlich erleben werden kann.

Arbeit, Rollen, Pflichten, Routinen und Gedanken über sich selbst geben unserem Leben eine Orientierung und Struktur. Diese innere Ordnung brauchen wir, um uns wohl und sicher fühlen zu können. Belastende Erlebnisse bringen sie aber durcheinander und erschüttern das bisherige Selbstbild. In Pausen kann dann dieses Fehlen von Halt und Orientierung besonders deutlich spürbar werden.
Nicht zuletzt können auch körperliche Symptome, wie innere Unruhe, Enge im Brustraum oder ein schneller, oberflächlicher Atem als Ausdruck der inneren Zerrissenheit stärker in den Vordergrund rücken, wenn wir innehalten und uns entspannen wollen. Das wiederum triggert das Nervensystem und kann ungewollte Erinnerungen auslösen.

Statt einfach mal durchzuatmen, zur Ruhe zu kommen und Kraft zu schöpfen, können Pausen also auch die Tür zu "unverdauten" Emotionen öffnen. Da ist nichts Falsches daran. Das Nervensystem ist einfach noch nicht bereit für eine ruhige Pause. Es braucht zuerst Sicherheit, Erdung - und Selbstfürsorge.
In manchen Momenten ist es besonders wichtig, sich selbst nicht zusätzlich zu überfordern und etwas von sich zu verlangen, was gerade nicht möglich ist. Sich das einzugestehen und die eigenen Grenzen zu achten, ist ein Akt der Selbstfürsorge. Es bedeutet, sich selbst nicht zu drängen, sondern freundlich und geduldig mit dem eigenen Zustand umzugehen.
Was hilft: Pausen anders denken
Aus meiner Arbeit mit dem Atem weiss ich:
Pausen dürfen klein und sanft sein. Gerade so, wie es jetzt stimmig ist.
Selbstfürsorge beginnt im Kleinen
Was kann helfen?
- ein paar Mal bewusst und hörbar ausatmen
- ein Seufzer
- drei Atemzüge mit dem Fokus auf den Füssen am Boden
- eine liebevolle Selbstberührung am Arm
- ein kurzer Spaziergang
Auch bewusst geplante und achtsam ausgeführte (kleine) Rituale können Halt geben, wo innere Ruhe (noch) fehlt. So kannst du dir einen festen Termin in deine Agenda eintragen oder dir den Wecker stellen, um...
- eine Tasse Tee oder ein Glas Wasser bewusst Schluck für Schluck zu trinken
- eine Nase voll von deinem Lieblingsduft zu nehmen
- ein Lieblingslied zu hören
- ein paar Minuten im Garten zu verbringen und die Natur mit allen Sinnen wahrzunehmen.
Diese kleinen Momente der Zuwendung sind mehr als "Mini-Pausen". Wenn wir innehalten, den Körper spüren, uns berühren oder uns mit einem Duft, einem Ton oder einem Schluck Wasser etwas Gutes tun, dann üben wir, uns wieder sicher und genährt zu fühlen.
Selbstfürsorge muss nicht perfekt sein
Sie darf tastend, klein und unsicher beginnen - wichtig ist nur, dass sie von einem liebevollen Blick auf dich selbst getragen ist.
Du darfst dir selbst zur Seite stehen - so, wie du es vielleicht mit einem geliebten Menschen oder Tier auch tun würdest: mit Verständnis, Geduld und Wärme. Diese innere Haltung ist ein zentraler Teil von Selbstfürsorge - gerade dann, wenn Ruhe (noch) nicht möglich ist.
Fazit: Die Pause darf wachsen
Pausen sind wertvoll - und manchmal herausfordernd. Der Weg zu einer heilsamen Pause ist oft ein Prozess, der Geduld braucht, vielleicht auch Unterstützung.
Vor allem aber braucht es Selbstmitgefühl und Mut.
Denn eine Pause ist nicht nur ein Innehalten - sie ist auch ein Geschenk an dich selbst.
Wenn sich eine Pause also nicht sofort gut anfühlt, ist das kein Zeichen von Schwäche. Vielleicht ist es vielmehr eine Einladung, dir selbst mit Freundlichkeit zu begegnen, innezuhalten und dich zu fragen: "Was brauche ich jetzt wirklich? Was würde mir gut tun?"
Und manchmal beginnt Selbstfürsorge nicht mit Ruhe, sondern mit der Erlaubnis:
"Es ist okay, wenn es heute schwerfällt."
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